Dresden: Die Waldschlösschenbrücke ist flacher und anschmiegsamer als das Blaue Wunder. (Maßstabgerechter Silhouettenvergleich: Henry Ripke Architekten).
ddd

Freitag, 25. November 2011

»Wiederholungstäter« – vom »Problemfall« Dynamo zum Problemfall DFB

Nach dem Herbst kommt der Winter. (Foto: L. B.)

Dynamo gilt als Wiederholungstäter. So heißt es derzeit überall. Dieser Satz jedoch offenbart ein tragisches, für Dynamo derzeit sogar desaströses Missverständnis. Denn nicht die Sportgemeinschaft Dynamo Dresden ist Täter.
Täter sind jene Kriminellen, gegen die zu ermitteln und anzuklagen Aufgabe von Polizei und Staatsanwaltschaft ist. Und die müssten auch gegen die Begünstiger der Gewalt ermitteln, also gegen jene, die in Dortmund für die Sicherheit und für die Kontrollen im Signal-Iduna-Park verantwortlich waren.

Doch es wird so gut wie gar nicht ermittelt, geschweige denn angeklagt. Die staatlichen Organe bleiben im Hintergrund und lassen es zu, dass mit Dynamo ein Buhmann gefunden wird, dessen Opferung längst beschlossene Sache scheint.

Wie wenig ernst es auch dem DFB beim Kampf gegen Gewalt vor und in den Stadien ist, zeigt die Tatsache, dass das Sportgericht mit seiner Strafe gegen die Begünstiger der Gewalt in Dortmund – das dortige Einlass- und Kontrollpersonal – noch hinter dem Antrag des DFB-Kontrollausschusses zurückgeblieben ist. Das gleicht einer Aufforderung an alle künftigen Einlass- und Kontrollkräfte der Klubs, bei konkurrierenden Gastvereinen sogar riesig große Böller und Raketen, Baseballschläger und Schlagringe geflissentlich zu übersehen. So treibt die DFB-Politik den Fußball in den Einflussbereich von Gewalttätern und Verbrechern. Denn eins ist klar: Jeder Fan jedes beliebigen Vereins kann sich in die Farben des Konkurrenzvereins kleiden und Raketen abfeuern, jeder Sicherheitsmitarbeiter am Einlass kann Pyrotechnik und Flaschen bei den ins Stadion strömenden Gästefans wegschauend übersehen. Deshalb ist das Sanktionierungssystem, bei dem die Vereine für die Gewalt von Kriminellen bestraft werden, kontraproduktiv. Dass dieses Sanktionierungssystem des DFB bisher noch nie im Kampf gegen Gewalt erfolgreich war, sondern nicht selten die Stimmung eher angeheizt hat, sollte zu denken geben.

An einigen Stellen wird immer wieder auf die im juristischen Regelwerk des DFB verankerte Verpflichtung der Klubs verwiesen, denen zufolge die Klubs Verantwortung für das Verhalten ihrer Fans übernehmen. Genau hier liegen die Wurzeln der völlig ungerechtfertigten Gleichsetzung von Klubs mit »Tätern« und damit für die verleumderische Formulierung »Wiederholungstäter«.

Im Zivilrecht gibt es einen Rechtsgrundsatz, nach dem eine Pflicht, deren Erfüllung objektiv unmöglich ist, keine Pflicht ist. Es heißt »Impossibilium nulla est obligatio« (deutsch: »Nichts ist Pflicht bei Unmöglichkeit«). Formuliert ist dieser Grundsatz in § 275 Abs. 1 BGB.
Fußballklubs haben zwar die Möglichkeit, mit guter Arbeit in Fanprojekten gegen Gewalt vorbeugend mitzuwirken (und Dynamo tut dies in großem Umfang), aber sie haben weder juristisch noch praktisch-organisatorisch die Möglichkeit, polizeiliche und geheimdienstliche Aufgaben zu übernehmen. Insofern können sie die Gewalttaten Einzelner oder von Gruppierungen zwar zurückdrängen, nicht aber die Planungen erkennen und die Realisierung wirklich und vollständig verhindern.
Formulierungen in den Regelwerken des DFB, nach denen die Fußballklubs die Verantwortung für das kriminelle Verhalten einiger ihrer jeweiligen Fans tragen, dürfen deswegen nicht zur Anwendung kommen, denn sie sind nach dem Grundsatz »Impossibilium nulla est obligatio« hinfällig.

Ein zugespitztes Beispiel gefällig? Wenn jemand mit Merkel-Maske und in Merkel-Lieblingsklamotten sowie »Merkel Hurrah!« schreiend mordet – wer würde verurteilt? Der Täter oder Merkel? Sogar wenn Merkel vertraglich gesichert die Verantwortung für die Taten aller Bürger übernommen hätte – verknackt werden müsste doch der Täter, nicht Merkel.

Mathias Bäumel

PS.: Nur mal zum Darüber-Nachdenken: Zwei Geisterspiele könnten für Dynamo teurer werden als der Pokalausschluss. Grundsätzlich sollte ein Fußballklub nicht für das Verhalten von Rowdys finanziell »bluten« müssen – denn gerade das wollen diese Rowdys doch!

Mittwoch, 2. November 2011

Kontrollausschuss des DFB macht Dynamo Dresden zum Spielball von Kriminellen

Wenn der Kontrollausschuss des DFB den Verein Dynamo Dresden kaputt machen will, muss er bei seiner Absicht bleiben, Dynamo vom Pokalwettbewerb auszuschließen. Das Gewaltproblem wird der Kontrollausschuss damit nicht lösen.

Im Gegenteil: Eine solche Ungerechtigkeit, Unverschämtheit und Dreistigkeit spielt den Kriminellen in die Hand. Immer mehr Dynamo-Anhänger werden so verzweifelt, hoffnungslos und dadurch zunehmend mehr gewaltbereit.

Ganz abgesehen davon, dass diese Art Sanktionierung grundlegenden Rechtsregeln widerspricht. Man kann Herrn Müller nicht für das Verbrechen des Herrn Lehmann verurteilen, nur weil Lehmann während seiner Tat die Lieblingsfarben Müllers getragen und »Es lebe Müller« gebrüllt hat.

Genaueres hier.

Dieses ungerechte Sanktionierungssystem, dass das Schicksal von Vereinen immer mehr zum Spielball von Kriminellen macht, muss abgeschafft werden!

Keine Frage: Schläger und Pyromanen müssen ausfindig gemacht und vor Gericht gestellt werden. Wenn es die Rechtslage erlaubt, am besten vor ein Schnellgericht.

Warum aber können die Radauextremisten überhaupt solche Pyrotechnik ins Stadion schmuggeln? Die kann man nicht einfach unterm Hemd verstecken, und in solchen Mengen gleich gar nicht. Antwort: Ohne »Hilfe« der Einlasser geht das nicht.

Also ebenfalls keine Frage: Gegen die, die für die Sicherheit und für die Kontrollen im Dortmunder Signal-Iduna-Park verantwortlich waren, muss ebenso ermittelt und gegebenenfalls geurteilt werden.

M. B.

Dienstag, 1. November 2011

Kultur der Massenmedien als »Geburtshelfer« der Fankultur im Fußball

Gedanken zur Berichterstattung nach dem Fußballspiel Borussia Dortmund gegen Dynamo Dresden – Sanktionierungssystem ist kontraproduktiv

(Die Fans von Dynamo Dresden treiben die Spieler immer wieder zu besseren Leistungen an. Sie sind nicht zu verwechseln mit gewaltbereiten Kriminellen. Foto: www.photoarena.de)

Fußballpokalspiel Borussia Dortmund gegen Dynamo Dresden: Kaum ein anderes Ereignis in Deutschland rief unmittelbar nach Bekanntwerden so viele Druckzeilen und Sendeminuten hervor wie die mutmaßlichen Ereignisse während des und unmittelbar nach dem Geschehen(s) in Dortmund am vergangenen Dienstag (25. Oktober 2011).

Die Meinungsmacher in der Gesellschaft der »Zeichensetzer« setzten wieder einmal ein Zeichen gegen den Dresdner Verein. Dahinter stand wohl auch diesmal diebische Freude: Gut, dass es mal wieder Gelegenheit gibt, diesen Bastard aus dem Osten weithin als Gefahrenherd für die öffentliche Sicherheit zu diffamieren. Dass das Zweite Deutsche Fernsehen mit Sportreporter Wolf-Dieter Poschmann und Marietta Slomka im heute-journal in dieser Frage an vorderster Front »kämpfte« und einseitige, zu Lasten Dynamo Dresdens und der sächsischen Landeshauptstadt gehende Bewertungen vornahm, ist empörend.

Wenigstens die Dresdner Neuesten Nachrichten kritisierten dies. Thomas Scholze schrieb in der Ausgabe vom 27. Oktober 2011:

»Gejammer an Stelle sachlicher Information, Vermutungen statt Fakten, im Interview mit Dortmunds Polizeidirektor Peter Andres keine Fragen zum trotz etlicher Vorwarnungen unzureichenden Sicherheitskonzept der Dortmunder Polizei. Und zweierlei Maß in der Beurteilung: ›Weltuntergang‹ im Signal-Iduna-Park, aber keine kritischen Bemerkungen der jeweiligen Kommentatoren zu den ›Pyro-Shows‹ bei den Spielen in Trier und Unterhaching (da im Bochumer Block). Das Feuerwerk der Kölner Fans in Hoffenheim fand der Sender sogar ziemlich klasse, es sei ja schließlich bald Karneval und ein ›gewollter Kontrast‹ zum in der SAP-Arena heimischen Eventpublikum. Und in Heidenheim befand das ZDF: ›Zündelfreunde bereichern die Ostalb.‹ Nach keiner dieser Partien wurde ein einziger ZDF-Gesprächspartner zu den verbotenen Feuerspielen befragt. In Dortmund schon. Böse (das weiß man ja) sind die Ossis – so sehen die ›Mainzelmännchen‹ die Welt.«

Der Fußball-Soziologe und Fachbuch-Autor Michael Rautenberg hob in einem längeren Interview zum Thema »Fußball, Gewalt und Massenmedien« bereits vor drei Jahren im Dresdner Universitätsjournal 18/2008 (11. November 2008) hervor, dass die Kultur der Massenmedien Geburtshelfer der Fankultur ist. Es gäbe in den meisten europäischen Ländern keine Sportart, die eine vergleichbare Aufmerksamkeit der Medien hat, wie der Fußball. Da die »Massenmedien (Presse und Fernsehen) immer mehr Notiz von den Scharmützeln beim Fußball nehmen«, bietet der Fußball und die um ihn angelagerten Szenen für bestimmte Randgruppen beste Gelegenheit, in der Gesellschaft wenigstens wahrgenommen zu werden, ein Gemeinschaftsgefühl als »Andersseiende« und eine Art von Selbstwertgefühl als Kämpfer gegen etablierte Mächte zu entwickeln. Zumindest dann, wenn immer wieder ausführlich in den Massenmedien berichtet wird! Das schadenfrohe Senden der Bilder von Dortmund als Endlosschleife spielt gerade diesen Gewalttätern in die Hände und wird – vielleicht ungewollt – zum Helfershelfer des Radaus.

Keine Frage: Schläger und Pyromanen müssen ausfindig gemacht und vor Gericht gestellt werden. Wenn es die Rechtslage erlaubt, am besten vor ein Schnellgericht.

Warum aber können die Radauextremisten überhaupt solche Pyrotechnik ins Stadion schmuggeln? Die kann man nicht einfach unterm Hemd verstecken, und in solchen Mengen gleich gar nicht. Antwort: Ohne »Hilfe« der Einlasser geht das nicht.

Also ebenfalls keine Frage: Gegen die, die für die Sicherheit und für die Kontrollen im Dortmunder Signal-Iduna-Park verantwortlich waren, muss ebenso ermittelt und gegebenenfalls geurteilt werden.

Eins ist klar: Jeder Fan jedes beliebigen Vereins kann sich in die Farben des Konkurrenzvereins kleiden und Raketen abfeuern, jeder Sicherheitsmitarbeiter am Einlass kann Pyrotechnik und Flaschen bei den ins Stadion strömenden Gästefans geflissentlich übersehen. Deshalb ist das Sanktionierungssystem, bei dem die Vereine für die Gewalt von Kriminellen bestraft werden, kontraproduktiv. Denn damit macht man die Vereine vom Willen dieser Kriminellen abhängig oder gar erpressbar. Süffisant stellte mancher Journalist nach dem Dortmund-Spiel am 25. Oktober die Frage, wie lange sich ein Sponsor solche Randale bieten lassen könne. Was den Dynamo-Sponsor Veolia sogleich veranlasste, seinen Ausstieg anzudrohen.

Auf diese Weise haben es Kriminelle in der Hand, die Geschicke im Fußball mitzusteuern!

Ganz abgesehen davon, dass diese Art Sanktionierung grundlegenden Rechtsregeln widerspricht. Man kann Herrn Müller nicht für das Verbrechen des Herrn Lehmann verurteilen, nur weil Lehmann während seiner Tat die Lieblingsfarben Müllers getragen und »Es lebe Müller« gebrüllt hat.

So lange das aber so bleibt, haben Drahtzieher im Hintergrund sowie Zeichensetzer vor Kameras und an Tastaturen immer wieder Chancen, die Taten von Kriminellen mit geballter Aufmerksamkeit zu »adeln« und damit gegen manche Vereine Stimmung zu machen.

M. B.