Dresden: Die Waldschlösschenbrücke ist flacher und anschmiegsamer als das Blaue Wunder. (Maßstabgerechter Silhouettenvergleich: Henry Ripke Architekten).
ddd

Montag, 29. September 2014

Der bloße Gebrauch des Wortes »Zigeuner« ist keineswegs eine »rassistische Äußerung«

24. September 2014: Fans des Halleschen FC brüllen zum Drittliga-Fußballspiel Dynamo Dresdens Torhüter Benjamin Kirsten mit den Massen-Chor-Rufen »Kirsten, du Zigeuner!« an. Das führte im MDR-Fernsehen und in Online-Kommentaren zu Empörung und wurde als »rassistisch« gewertet.

Doch der Begriff Zigeuner ist keineswegs ein »rassistischer Schmähruf«. Unter der Überschrift »Sinti, Roma oder Zigeuner?« hatte die FAZ in ihrer Online-Ausgabe vom 7. Februar 2005 verdeutlicht, dass »Zigeuner« kein Schimpfwort ist und dass viele Zigeuner sogar Wert darauf legen, so bezeichnet zu werden. Hintergrund dieses Artikels war damals die Frage nach der »richtigen« Beschriftung des Denkmals für die durch den Nazi-Terror ermordeten Zigeuner.

Im Text wird weiter dargestellt, dass die angeblich politisch korrekte Formulierung »Sinti und Roma« sowohl logisch als auch inhaltlich falsch ist. Diese – seit den achtziger Jahren in Deutschland üblich gewordene – Bezeichnung sei dem FAZ-Artikel zufolge diskriminierend, weil sie viele Zigeunergruppen ausgrenzt. Die Sinti seien zwar die größte Gruppe im deutschen Sprachraum, aber nicht die einzige; es gab und gibt hier auch andere Gruppen (die Lalleri, Litautikker und so weiter), die damit ausgeschlossen würden.
»Rom« ist die übliche Eigenbezeichnung der Zigeuner für »Mensch«, »Roma« also für »Menschen«. Und im Artikel weiter: »Insofern dieses Wort alle Zigeuner meint, ist die Bezeichnung ›Sinti und Roma‹ unlogisch, da sie zuerst eine Teilgruppe und danach die Gesamtheit nennt, so als spräche man von »Katholiken und Christen«. Und die FAZ dort weiter: »Wenn nach einer anderen Auffassung mit Roma die ost- und südosteuropäischen Zigeuner gemeint sein sollen, werden wiederum andere Zigeuner ausgeschlossen wie etwa die Manusch im französischsprachigen Raum oder die Kale auf der Iberischen Halbinsel.«

Zu berücksichtigen wäre auch noch die in anderen Ländern übliche Benennungsweise. Die Bezeichnung »Sinti und Roma« wird dem FAZ-Artikel zufolge wirklich nur in Deutschland verwendet, in anderen europäischen Staaten sind es französisch »tsiganes«, italienisch »zingari« (wie im Deutschen »Zigeuner«, alle abgeleitet vom griechischen »atsinganoi« – Unberührbare), oder eben englisch »gypsies« und spanisch »gitanos« (weil man sie einst für Ägypter hielt).

Schließlich sollte man nicht verschweigen, dass mit »Zigeuner« im deutschen Sprachalltag nicht selten auch liebevolle, positiv gemeinte Bedeutungen mitschwingen. Formulierungen zu einem Kind wie »Na, mein kleiner Zigeuner« (im Sinne von »Herumstromer« oder »Frechdachs«) oder zu einem Musiker wie »Mann, Du spielst ja wie ein Zigeuner!« (im Sinne von Spielen wie ein Teufelskerl) machen das deutlich.

Hatten also die ansonsten für ihre rassistischen Rufe bekannten Brüller aus Halle den Benjamin Kirsten wirklich beleidigen wollen, so haben sie das – vielleicht wegen des Mangels an Wissen – mit dem Wort »Zigeuner« gerade nicht geschafft.

M. B.