Dresden: Die Waldschlösschenbrücke ist flacher und anschmiegsamer als das Blaue Wunder. (Maßstabgerechter Silhouettenvergleich: Henry Ripke Architekten).
ddd

Montag, 7. Dezember 2015

Denken – Sprechen – Schreiben: Genderwahn breitet sich seuchenartig aus

Wie unsere Gesellschaft durch Denk- und Sprachverhunzung beginnt, unsere Kultur zu zerstören:
(gefunden im Deutschen Ärzteblatt, 4. Dezember 2015).

Freitag, 16. Oktober 2015

Dumm und verlogen: Ein kurzer Streifzug durch die Welt von Pegida-Anhängern und Politikern

Besonders in den jüngsten Monaten wird man im Zusammenhang mit der aktuellen Flüchtlingssituation und der Pegida-Propaganda fast erdrückt von dummen, verlogenen, aber dennoch fast überall akzeptierten Behauptungen. Zum Beispiel von folgenden:

Das Boot ist voll, unsere Aufnahmefähigkeit ist erreicht.
Auch wenn man annimmt, dass bis zum Ende des Jahres 1,5 Millionen oder bis Ende 2016 etwa 3 Millionen Asylbewerber kommen werden, sind das lediglich rund 2 beziehungsweise 3,7 Prozent der Gesamtbevölkerung Deutschlands.

Zum Vergleich:
Nach dem Zweiten Weltkrieg, zwischen 1944/45 und 1950, waren von Flucht und Vertreibung zwischen 12 und 14 Millionen Deutsche aus Schlesien, Ostpreußen, dem Sudeten- und dem Egerland betroffen, die von den vier Besatzungszonen Deutschlands aufgenommen wurden. Laut Wikipedia waren das in der sowjetischen Besatzungszone etwa 24 Prozent, in der amerikanischen Besatzungszone etwa 18 Prozent, in der britischen knapp 15 Prozent der Bevölkerung. Nur in der französischen Besatzungszone nahmen die Vertriebenen einen Anteil von einem Prozent an der Bevölkerung ein.
Die Bundesrepublik und die DDR standen damals vor einer unlösbar scheinenden Herausforderung. Durch die Bevölkerungsverschiebungen verdoppelten einige Länder und DDR-Bezirke wie Mecklenburg ihre Einwohnerzahl. In vormals konfessionell homogenen Regionen mit starken eigenen Traditionen – zum Beispiel Oberbayern und die Lüneburger Heide – lebten nun große Bevölkerungsgruppen mit anderem Lebensstil und fremder Konfession. Es entstanden sogar reine Flüchtlingsortschaften, die zum Teil Kleinstadtgröße erreichten.

Im Leben der Menschen waren das riesige quantitative und qualitative Veränderungen, deren erfolgreiche Meisterung weder zu Bürgerkriegen noch zu Verarmung führte; im Gegenteil: Schon wenige Jahre später setzte die junge Bundesrepublik – nicht von den sowjetischen Reparationsforderungen wie die DDR betroffen – zum auch vom Marshallplan begünstigten Wirtschaftswunder an.

Natürlich bleibt deswegen die jetzige Situation in Deutschland für die Menschen, vor allem für die vielen Helfer, eine große, ungewohnte Herausforderung.

Wirtschaftsflüchtlinge haben hier nichts zu suchen, sie sollen wieder abgeschoben werden.
Klar: Wirtschaftsflüchtlinge haben kein Anrecht auf Asyl; das steht laut Genfer Flüchtlingskonvention nur jenen zu, die wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt werden.

Dass sich dennoch massenhaft Menschen in wirtschaftlicher Not in Deutschland um Asyl bewerben, liegt hauptsächlich daran, dass für sie die »Asyl-Tür« die einzige Möglichkeit ist, eine Chance auf ein besseres Leben in Deutschland zu haben. Schuld daran sind jene politischen Kräfte in Deutschland – vor allem jene mit einem C im Parteinamen –, die sich beharrlich gegen die Einführung eines Einwanderungsgesetzes wehren. Mit dem könnte man aber, ähnlich wie in anderen Staaten, von vornherein Einwanderungsquoten nach den jeweiligen Bedürfnissen im eigenen Land regeln. Das Fehlen eines solchen Einwanderungsgesetzes provoziert also die große Zahl jener Asylbewerber, die eigentlich keine Chance auf Asyl haben. Insofern treiben viele »C-Politiker« ein abgefeimtes Propaganda-Spiel, denn sie selbst sind es, die den von ihnen als Asylmissbrauch diskreditierten Zustand mitverursachen.

Abgesehen davon ist es verlogen, in Armut lebende Menschen anderer Nationen mit dem abfällig ausgesprochenen Begriff »Wirtschaftsflüchtling« moralisch zu diskreditieren, wenn es doch an anderer Stelle völlig anerkannt ist, dass Menschen ihre Heimat verlassen, um in anderen Regionen, Ländern oder gar Erdteilen ein besseres Leben zu suchen.

Die deutschen, irischen, böhmischen und weiteren Europäer, die sich Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA eine bessere Existenz aufbauen wollten, der Süditaliener, der in Mailand oder Turin sein Leben auf sicherere Füße stellen wollte, der Cottbusser, Bautzener oder Greifswalder, der in den Westen zog, weil er im Osten keine Arbeit fand – sie alle waren und sind »Wirtschaftsflüchtlinge«. Ganz abgesehen von jenen DDR-Bürgern, die nicht aus politischen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen einen Ausreiseantrag gestellt hatten; diese Menschen wollten ihre persönlich-wirtschaftliche Situation, die – im Vergleich zu jener von Menschen in den allermeisten Ländern der Welt – so übel nicht war, lediglich auf eine noch höhere Qualität heben. Wie stehen heute jene, die damals wegen des Fehlens von Bananen, gutem Gemüse und von Südfrüchten migriert sind, zu den Menschen, die heute aus der Ferne nach Deutschland wollen?

Der Islam gehört nicht zu Deutschland.

Diese Aussage gehört entweder zum Dümmsten oder zum Unverschämtesten der jüngeren Vergangenheit. Sie hat einen quantitativen, einen kulturell-qualitativen und einen politischen Aspekt.

Quantitativ: Zum Islam bekennen sich in Deutschland derzeit etwa 5 Prozent der Bevölkerung, was etwa 4 Millionen Menschen entspricht (Stand: 2012; Quelle: Wikipedia). Die Angaben variieren Wikipedia zufolge allerdings stark von 1,9 Prozent (Zensus 2011: Freiwillige Angabe) bis 7 Prozent (Schätzung der Deutschen Islamkonferenz 2012).
Wenn man die Behauptung quantitativ bewertet, so gehört analog das katholische Christentum nicht zu Sachsen (dort sind 3,6 Prozent der Bevölkerung katholisch), nicht zu Brandenburg (3,1 Prozent), nicht zu Mecklenburg-Vorpommern (3,3 Prozent) und nicht zu Sachsen-Anhalt (3,5 Prozent – Angaben der Deutschen Bischofskonferenz). Ab welcher Prozentzahl darf sich eine Religion zu einem staatlichen Gebilde zugehörig fühlen?

Kulturell-qualitativ: Dass unsere europäische Kultur ohne jahrhundertelang wirkende islamisch-arabische Einflüsse sich hätte so nicht entwickeln können, wurde schon häufig dargestellt – aber in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit kaum beachtet. Dass zudem besonders von Personen des öffentlichen Lebens die Begriffe »Abendland«, »Islam« und »Christenheit« meist plakativ und inhaltlich verwirrend verwendet werden, habe ich hier beschrieben.

Politisch: In heutiger Zeit die Fragestellung einschränkend nur auf Deutschland zu beziehen, wo es uns allen doch um die Zukunft Europas gehen sollte, ist Kleingeisterei und eines Politikers (un?)würdig.

Wir sind gegen die Islamisierung des Abendlandes.

Diese Behauptung hat etwas Richtiges und etwas Falsches.
Richtig ist: Aufklärerisches Denken gebietet, nicht nur gegen die Islamisierung, sondern auch gegen die Christianisierung, überhaupt gegen jede Tendenz einer Religionisierung eines Landes einzutreten. In unserer europäischen Kultur, die wesentlich auf dem Verflochtensein von Judentum, Christentum und Islam, aber eben mittlerweile auch ganz wesentlich auf den Leistungen der Aufklärung beruht, muss die politische Macht von Religionen Schritt für Schritt zurückgedrängt, der kulturelle und historische Wert dieser Religionen jedoch besser wertgeschätzt werden. Eine Religion wie die christliche, die in besonderer Weise verkirchlicht, also mit politisch wirksamen, Macht ausübenden Einrichtungen verknüpft ist, steht hier vor großen Herausforderungen.
Falsch ist die Nutzung des Begriffes »Abendland«, denn dieser Begriff verdunkelt die realen Einflüsse und Abläufe bei der Entstehung Europas.

Mathias Bäumel

Montag, 28. September 2015

Manchmal kann die Luft verpestet bleiben

Der Volkswagenkonzern hat betrogen. Zumindest für den US-amerikanischen Markt hat er vor wenigen Tagen zugegeben, dass er Dieselmotoren mit einer Software ausgerüstet hat, die erkennt, ob das Fahrzeug im Abgas-Testmodus auf Rollen läuft oder ob es gerade real auf der Straße fährt. Für den Fall, dass es im Abgas-Testmodus läuft, wird der Motor so beeinflusst, dass die Stickoxid-Grenzwerte eingehalten werden. Im Straßenbetrieb jedoch stößt das Fahrzeug Abgase aus, deren Menge weit über dem Grenzwert liegt. Betrug also!

Wie heuchlerisch jedoch ein Teil der Öffentlichkeit, der Politik und der Medien auf diesen Betrug reagieren, macht die Tatsache deutlich, dass man schon längst diesen Betrug hätte aufklären müssen. Wenn schon nicht das Kraftfahrt-Bundesamt, so hätten doch wenigstens der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und ähnliche Verbände
unabhängige Tests bei Realbetrieb der Autos durchführen lassen können. Haben sie aber nicht.
Und das, obwohl seit vielen Jahren behauptet wird, dass die Testmethoden der Hersteller angeblich geschönte Ergebnisse weitab von der Realität erbringen.

Auch die seit langem bekannte und wissenschaftlich erwiesene Tatsache, dass die (groteskerweise immer häufiger realisierte) Einrichtung von Dreißigerzonen die Stickoxid-Belastung in solchen Schleichverkehr-Gebieten drastisch erhöht, hat genauso wenig zu einem gesundheitsförderlichen Umdenken und zu entsprechenden Konsequenzen geführt wie jene Forschungsergebnisse, nach denen der Schwerlast- und Busverkehr ein Vielfaches an Stickoxid-Belastung im Vergleich zum PKW-Verkehr erzeugt.

Umweltschädigendes Verhalten ist gut, wenn es Argumente gegen die Autoindustrie liefert. Wenn es dazu nicht taugt, kann die Luft verpestet bleiben – schon seit vielen Jahren. Grüne neue Welt ...

(M. B.)

Freitag, 7. August 2015

Politiker betreiben massenhaft Asylmissbrauch

Was ist »Asylmissbrauch«? Wenn jemand einen Asylantrag stellt und dabei damit rechnen muss, dass er abgelehnt werden könnte? Oder wenn jemand einen Asylantrag stellt, der dann tatsächlich abgelehnt wird? Oder wenn jemand einen Asylantrag stellt, ihn bewilligt bekommt, wobei sich danach herausstellt, dass der Antragsteller durch falsche Angaben sich die Bewilligung unrechtmäßig erschlichen hat?

Es dürfte klar sein, dass »Asylmissbrauch« nur für den zuletzt genannten Fall vorliegt. Asyl kann nur »missbraucht« werden, wenn es zuvor gewährt wurde.

Seit Anfang der neunziger Jahre jedoch üben sich vor allem Unions-Politiker darin, schon allein das Antragstellen, zumal wenn es in großer Zahl passiert, zu diskreditieren und die Antragsteller latent zu kriminalisieren! So am Morgen des 7. August 2015 im ZDF-Morgenmagazin, als der CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich darauf bestand, den Begriff »Asylmissbrauch« auf all jene Asylbewerber anzuwenden, die von vornherein wissen müssten, dass ihr Antrag sehr wahrscheinlich abgelehnt wird.
Damit liegt er in einer üblen Tradition politischer Stimmungsmache. Schon im Oktober 1992 hatte der damalige bayerische Innenminister Edmund Stoiber pauschal von einem »hunderttausendfachen Asylmissbrauch« gesprochen (Klaus J. Bade, Ausländer, Aussiedler, Asyl, München 1994, S. 109).

Klar ist: Die Politik muss dringend handeln! Aber nicht dadurch, dass jene diffamiert werden, die ein bereitgestelltes Angebot versuchen zu nutzen, auch wenn die Erfolgsaussichten ggf. gering sind.

Die Politik muss ihre Verfahrensweise, aber auch die Einstellung zum Asylproblem ändern. So ist es grundsätzlich inakzeptabel, wenn die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge a priori mit einem Stigma des Unseriösen oder gar Protokriminellen versehen werden.

An dieser Stelle sollte an Folgendes erinnert werden. Die allermeisten Deutschen, die aus der DDR in die BRD flüchteten, taten dies aus wirtschaftlich-materiellen Gründen, auch sie waren »Wirtschaftsflüchtlinge«. Und obwohl es ihnen in der DDR materiell zumeist nicht annähernd so schlecht wie heutigen Flüchtlingen etwa aus Albanien oder Mazedonien ging, käme wohl kaum ein Politiker auf die Idee, diese DDR-Flüchtlinge im Nachhinein moralisch abzuwerten, nur weil sie versuchten, jede der ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um materiell noch besser leben zu können.

Schaut man genauer hin, wird doch klar, dass der massenhafte Gebrauch des Begriffes »Asylmissbrauch« durch Berufs- und »Stammtischpolitiker« nur dem Ziel dient, die Herde blökender Schafe hinter sich zu sammeln – zu Lasten derer, denen es wirklich schlecht geht.

Diese Politiker missbrauchen damit die Asylthematik für eigenen Zwecke. Es sind sie, die massenhaft »Asylmissbrauch« betreiben.


M. B.

Freitag, 24. Juli 2015

Ideologeme sollen verschleiern, dass der Islam schon historisch gesehen zu Europa gehört

Christliches Abendland, Islam und der Orient – fast reflexartig werden diese Begriffe in den derzeitigen Diskussionen um die Frage, ob und wie der Islam zu Europa gehört, vor allem von Parteipolitikern im Munde geführt. Und sie werden häufig auch von Journalisten und Wissenschaftlern unkritisch übernommen. Im Sprachgebrauch wird dabei unterstellt oder unterschwellig nahegelegt, dass »Islam« und »Abendland« ein Widerspruch, dass das »Abendland« christlich und der »Orient« dem »Abendland« religiös und kulturell entgegengesetzt sei. Die reale Geschichte Europas und der christlichen wird dabei ebenso außer Acht gelassen wie die der islamischen Kultur.

Das »Abendland« (damit ist West- und Mitteleuropa gemeint, im Gegensatz zum »Morgenland«) ist für viele Jahrhunderte ganz wesentlich von islamischer Kultur, von islamischer Kunst, Architektur und Wissenschaft, mitgeprägt.
Besonders in den Gebieten des heutigen Portugals und Spaniens war das an der Pracht der faszinierend ausgestatteten und nur durch ein Höchstmaß wissenschaftlichen Niveaus möglich gewordenen Moscheen beispielhaft sichtbar. Hier kann man durchaus davon sprechen, dass die damalige kulturelle Blüte Westeuropas bis ins 15. Jahrhundert hinein wesentlich von den Leistungen islamischer Kultur hervorgebracht beziehungsweise geprägt wurde. »Abendland« im eigentlichen Sinne und »Islam« gehörten damals für lange Zeit zusammen.

Mehr noch: Diese Blüte wurde teilweise durch politisches Kalkül aus dem Bereich der römischen Kirche zerstört. Im Zuge der schrittweisen Eroberung der Iberischen Halbinsel durch die Mächte der römischen Kirche vom 8. bis zum 16. Jahrhundert wurden viele Moscheen zu christlichen Kirchen umgebaut.
Die einstige Hauptmoschee in Cordoba – al-Dschāmiʿ al-kabīr / Dschāmiʿ Qurṭuba – aus der Epoche des maurischen Spaniens (erbaut von 784 bis 987, kurz: La Mozquita) zählte zu den prächtigsten und spirituellsten Gebäuden Europas jener Zeit. Nachdem das faszinierende Gebäude der Dschāmiʿ Qurṭuba bereits 1236 zur christlichen Kirche geweiht worden war, begann im Jahre 1523 der entscheidende Umbau von Cordobas glanzvoller ehemaliger Hauptmoschee zur Kathedrale.
Die Umbauten stießen schnell auf den energischen Widerstand des Stadtrates und der Bevölkerung von Córdoba, konnten aber schließlich doch durchgesetzt werden, da der Habsburger Kaiser Karl V. (Karl I. von Spanien) letztlich den Umbau billigte. Als Karl V. jedoch das Ergebnis sah, soll er seine Umbau-Genehmigung bereut und gesagt haben: »Ihr habt etwas zerstört, was einmalig war, und habt stattdessen etwas hingesetzt, das man vielfach auch andernorts antreffen kann.« Leider hat Karl V. nach (kirchen)politischen Überlegungen entschieden, anstatt sich von seinem künstlerisch-fachlichen Urteilsvermögen leiten zu lassen. Die Moschee als Ganzes in ihrer einstigen überwältigenden Pracht war unwiederbringlich verloren.

Dies ist ein einprägsames Beispiel für den manchmal eingetretenen künstlerisch-kulturellen Rückschritt in Westeuropa durch die sich ausdehnende politische Macht der römischen Kirche.

Im Zusammenhang mit der schrittweisen Eroberung der Iberischen Halbinsel durch die Mächte der katholischen Kirche ab dem 8. Jahrhundert muss klargestellt werden, dass es sich dabei keineswegs um eine »Rück«-Eroberung gehandelt hat, wie das häufig verfälschend formuliert wird. Denn das Christentum spielte vor der arabischen Eroberung dieser Region, die den Karthagern, Römern und Vandalen gehörte, zunächst keine bedeutende Rolle. Folgt man Peter Brown und dessen Buch »Die Entstehung des christlichen Europa«, dürfte der Anteil der Christen an der damaligen Gesamtbevölkerung der Iberischen Halbinsel im 4. Jahrhundert kaum mehr als etwa fünf bis zehn Prozent gewesen sein. Brown zufolge hat der westgotische Staat den Katholizismus als Religion im Jahre 589 angenommen; erst ab diesem Zeitpunkt begann mit Hilfe dieses »staatlichen Rückenwindes« eine deutlich spürbare Christianisierung breiter gesellschaftlicher Bereiche.

Als die Araber kurze Zeit später, im Jahre 711, dieses westgotische Königreich zum Zusammenbrechen brachten, eroberten sie also Gebiete, in denen zuvor für lange Zeit ein Gemisch verschiedener Kulturen und Religionen lebte und in denen erst seit kurzem das Christentum an Einfluss gewann.

Die spätere schrittweise Vertreibung der Araber und die Eroberung des iberischen Raumes durch Mächte der katholischen Kirche als »Rück«-Eroberung darzustellen, ist ein ideologischer Trick. Damit soll eine Eroberung nicht als Eroberung, sondern als gerechte Befreiung von einem Joch dargestellt, die Zugehörigkeit des südwestlichen Europas zum katholischen Machtkreis gewissermaßen zeitlich vorverlegt und die bis dahin enge Beziehung zwischen »Abendland« und »Islam« verdeckt werden.

Auch im Osten finden wir Beispiele dafür, dass die plakative, polarisierende Verwendung der Begriffe »Islam«, »Abendland«, »Orient« und »Christenheit« eher zur Verschleierung wirklicher Verhältnisse führt.
Byzanz wurde zwischen 326 und 330 vom römischen Kaiser Konstantin I. als neue Hauptstadt des römischen Reiches umgebaut (»Konstantinopel«). Die heute Istanbul genannte Stadt markiert den Beginn der sogenannten konstantinischen Wende, in deren Verlauf aus der einst staatlich diskriminierten und phasenweise blutig verfolgten christlichen Kirche eine zunächst geduldete, dann rechtlich privilegierte Institution und schließlich durch Theodosius (Kaiser von 379 bis 394 ) eine Reichskirche wurde. Mit anderen Worten: Der Aufstieg entstehender christlicher Institutionen zu einer Staatskirche, damit die enge Verbindung von weltlicher und christlich-kirchlicher Macht in Europa, begann nicht im »Abendland«, sondern im Osten, an den Toren zum Orient.

Nicht vergessen werden sollte auch, dass es im Jahre 1204 eine Allianz von (römisch-christlichen) Kreuzfahrern und Venezianern war, die das christlich-orthodoxe Konstantinopel, bis dahin religiöses und politisches Machtzentrum, plünderten und einnahmen. Viele Einwohner der kosmopolitischen Metropole wurden dabei getötet. Zahlreiche Monumente wurden zerstört, großartige Kunstwerke wurden vernichtet oder geraubt, etliche Bibliotheken niedergebrannt und eine große Anzahl der in Konstantinopel aufbewahrten Heiligenreliquien entwendet und über ganz Europa verstreut. Von dieser Zerstörung und Plünderung durch die Venezianer und Kreuzfahrer erholte sich das christlich-orthodoxe Konstantinopel im restlichen Verlauf des Mittelalters nicht wieder – eine entscheidende Voraussetzung für den Beginn des Siegeszuges osmanischer Truppen unter Osman I. ab 1326; im Jahre 1453 konnte Mehmed II. die einstige christliche Hochburg einnehmen. In heutiger, etwas vereinfachter Wortwahl: Das »Abendland« schoss eine der bis dahin mächtigsten christlichen Metropolen Europas »sturmreif« und öffnete damit dem »Islam« Tür und Tor.

Die plakative Gegenüberstellung von »Abendland« und »Islam« sowie von »christlichem Abendland« und Orient ist zwar ein Lieblingsideologem der (meist CDU-nahen) Politik, spiegelt aber die historische Realität nicht angemessen wider. – Ein Nährboden für Fremdenhetze.

Mathias Bäumel

(Dies ist kein wissenschaftlicher Text. Für seine Erstellung habe ich diverse frei zugängliche Quellen – so auch Wikipedia – benutzt. Einen Anspruch auf Urheberrecht erhebe ich nicht. Ich möchte damit auch zeigen, dass sich jeder mittels allgemein zugänglicher Quellen und ohne Fachwissenschaftler sein zu müssen kritisch mit der üblichen Meinungsmache auseinandersetzen kann.)

Dienstag, 24. März 2015

An welche Geschichte ich beim Thema Griechenland denken muss

Da hat sich einer schon vor einigen Jahren so richtig reingeritten. Über seine Verhältnisse gelebt. Hat beispielsweise gestattet, dass sein Hausmeister, seine Müllabfuhr, sein Klempner und andere doppelt und dreifach kassieren. Hat – natürlich aus Gründen der Tradition und des Anstandes – sich eine Schar Popen gehalten, die zu nichts nutze waren, die er aber natürlich, aus Gründen der Achtung vor der Vergangenheit und der Kultur, bezahlte. Einschließlich der teuren Popenpaläste.

Hat sich einfach überschuldet, der Mann. Und jeder wusste das. Natürlich auch die, die ihn einluden, in ihren Verein einzutreten. Wenn er erst einmal im Verein drin wäre, könne er auch die Währung des Vereins nutzen. Er werde sehen, dass er dann bald noch besser leben könne.

Alle klopften sich beim Eintritt auf die Schulter, und der Vereinsvorsitzende lieh dem armen neuen Mitglied erst einmal eine Stange Geld, mit dem Hinweis, der müsse aber im Gegenzug sparen. Der Vereinsvorsitzende freute sich, denn – bei deftigen Zinssätzen – war recht bald eine Rückzahlung fällig. Deswegen brauchte der arme Mann neues Geld. Kein Problem, er müsse nur weiter sparen wollen. Der arme Mann verschuldete sich also immer weiter, er musste immer wieder zuerst die hohen Zinsen (deutlich höhere als jetzt üblich) und dann die Schulden-Raten zurückzahlen. Der Vereinsvorsitzende jedoch rieb sich in die Hände, machten er und seine Bank doch ständig gute Gewinne mit dem neuen, finanzschwachen Mitglied.

Nun aber rebellierten die Kinder und die Verwandten und die Freunde des armen Mannes, sie bestimmten einen neuen Interessenvertreter. Der ging zum Vereinsvorsitzenden und sagte: »Lieber Vereinsvorsitzender! Ich weiß, dass vieles in der Vergangenheit in meiner Familie nicht gut gelaufen ist. Das ist schlimm, aber dafür kann ich nichts. Aber es würde uns zugrunde richten, wenn ich immer neue Schulden aufnehmen soll, nur um die bisherigen zu bezahlen. Wir sind schon längst überschuldet, und eine rasant steigende Schuldenlast würde zum Zusammenbruch führen. Deswegen können wir nicht mehr zahlen.«

Der Vereinsvorsitzende, der seine finanziellen Felle wegschwimmen sah, reagierte böse und angriffslustig. Der neue Interessenvertreter solle sich gefälligst an die Abmachungen halten und zwei Dinge tun: zahlen und sparen. Vor allem zahlen.

Nun, liebe Leser, treten wir einmal ein paar Schritte zurück, um die Sache möglichst gut betrachten zu können.

Jeder Schuldnerberater würde in Sachen dieses überschuldeten Vereinsmitgliedes den Weg in eine geordnete Insolvenz empfehlen – mit dem Ziel, dass der arme Mann bald wieder, nach einigen Jahren, zu einem seriösen, wirtschaftlich auf sicheren Beinen stehenden Leben zurückfinden kann. Kein seriöser Schuldnerberater würde die Aufnahme weiterer Kredite empfehlen.
Im Gegenteil: Eine Bank, die hier neue Kredite empfiehlt oder gar unter Drohungen durchdrückt, würde wohl als unseriös gelten und sehr schnell ins Fadenkreuz der Verbraucherschützer geraten.

Soll dieser Fall also behandelt werden, als ginge es um immer wieder neue Bankgespräche zur Aufnahme neuer Kredite? Dies würde vor allem den Banken helfen und den Schuldner immer wieder reinreiten. Das wäre also keine Hilfe, und erst recht keine unter Freunden. (Es gibt aber im Vereinsvorstand eine ganze Reihe von Funktionsträgern, die heuchlerisch so tun, als sei ihre Vergabe von Krediten ein Freundschaftsdienst.)
Oder soll dieser Fall so behandelt werden wie die Insolvenz eines völlig überschuldeten Hilfesuchenden? Wie bei einer Privatinsolvenz würden dabei einige einiges Geld verlieren (vielleicht nicht so viel wie sie bis dahin gewonnen hatten), aber der arme Mann und dessen Familie hätte wieder eine Chance auf Zukunft. – Natürlich: Auch in diesem Fall müsste der Betroffene sparen. Das hätte auch Konsequenzen für die eingangs benannten Hausmeister, Klempner, Müllabfuhr und so weiter – und die Popen, die bisher aus dem Säckel des Überschuldeten lebten.

M. B.

Freitag, 20. März 2015

Christliches Abendland, Islam und der Orient

Plakativer Umgang mit Begriffen verschleiert die Realität



(Cordoba, Moschee La Mozquita innen. Foto: Hans Peter Schaefer, Wikipedia)


Christliches Abendland, Islam und der Orient – fast reflexartig werden diese Begriffe in den derzeitigen Diskussionen um die Frage, ob und wie der Islam zu Europa gehört, vor allem von Parteipolitikern im Munde geführt. Und sie werden häufig auch von Journalisten und Wissenschaftlern unkritisch übernommen. Im Sprachgebrauch wird dabei unterstellt oder unterschwellig nahegelegt, dass »Islam« und »Abendland« ein Widerspruch, dass das »Abendland« christlich und der »Orient« dem »Abendland« religiös und kulturell entgegengesetzt sei.

Die reale Geschichte Europas und der christlichen wird dabei ebenso außer Acht gelassen wie die der islamischen Kultur.

Das »Abendland« (damit ist West- und Mitteleuropa gemeint, im Gegensatz zum »Morgenland«) ist für viele Jahrhunderte ganz wesentlich von islamischer Kultur, von islamischer Kunst, Architektur und Wissenschaft, mitgeprägt.
Besonders in den Gebieten des heutigen Portugals und Spaniens war das an der Pracht der faszinierend ausgestatteten und nur durch ein Höchstmaß wissenschaftlichen Niveaus möglich gewordenen Moscheen beispielhaft sichtbar. Hier kann man durchaus davon sprechen, dass die damalige kulturelle Blüte Westeuropas bis ins 15. Jahrhundert hinein wesentlich von den Leistungen islamischer Kultur hervorgebracht beziehungsweise geprägt wurde. »Abendland« im eigentlichen Sinne und »Islam« gehörten damals für lange Zeit zusammen.

Mehr noch: Diese Blüte wurde teilweise durch politisches Kalkül aus dem Bereich der römischen Kirche zerstört. Im Zuge der schrittweisen Eroberung der Iberischen Halbinsel durch die Mächte der römischen Kirche vom 8. bis zum 16. Jahrhundert – zuvor gehörte beispielsweise Andalusien den Karthagern, Römern und Vandalen; das Christentum spielte kaum eine Rolle – wurden viele Moscheen zu christlichen Kirchen umgebaut.
Die einstige Hauptmoschee in Cordoba – al-Dschāmiʿ al-kabīr / Dschāmiʿ Qurṭuba – aus der Epoche des maurischen Spaniens (erbaut von 784 bis 987, kurz: La Mozquita) zählte zu den prächtigsten und spirituellsten Gebäuden Europas jener Zeit. Nachdem das faszinierende Gebäude der Dschāmiʿ Qurṭuba bereits 1236 zur christlichen Kirche geweiht worden war, begann im Jahre 1523 der entscheidende Umbau von Cordobas glanzvoller ehemaliger Hauptmoschee zur Kathedrale.
Die Umbauten stießen schnell auf den energischen Widerstand des Stadtrates und der Bevölkerung von Córdoba, konnten aber schließlich doch durchgesetzt werden, da der Habsburger Kaiser Karl V. (Karl I. von Spanien) letztlich den Umbau billigte. Als Karl V. jedoch das Ergebnis sah, soll er seine Umbau-Genehmigung bereut und gesagt haben: »Ihr habt etwas zerstört, was einmalig war, und habt stattdessen etwas hingesetzt, das man vielfach auch andernorts antreffen kann.« Leider hat Karl V. nach (kirchen)politischen Überlegungen entschieden, anstatt sich von seinem künstlerisch-fachlichen Urteilsvermögen leiten zu lassen. Die Moschee als Ganzes in ihrer einstigen überwältigenden Pracht war unwiederbringlich verloren.
Dies ist ein einprägsames Beispiel für den manchmal eingetretenen künstlerisch-kulturellen Rückschritt in Westeuropa durch die sich ausdehnende politische Macht der römischen Kirche.

Auch im Osten finden wir Beispiele dafür, dass die plakative, polarisierende Verwendung der Begriffe »Islam«, »Abendland«, »Orient« und »Christenheit« eher zur Verschleierung wirklicher Verhältnisse führt.
Byzanz wurde zwischen 326 und 330 vom römischen Kaiser Konstantin I. als neue Hauptstadt des römischen Reiches umgebaut (»Konstantinopel«). Die heute Istanbul genannte Stadt markiert den Beginn der sogenannten konstantinischen Wende, in deren Verlauf aus der einst staatlich diskriminierten und phasenweise blutig verfolgten christlichen Kirche eine zunächst geduldete, dann rechtlich privilegierte Institution und schließlich durch Theodosius (Kaiser von 379 bis 394 ) eine Reichskirche wurde. Mit anderen Worten: Der Aufstieg entstehender christlicher Institutionen zu einer Staatskirche, damit die enge Verbindung von weltlicher und christlich-kirchlicher Macht in Europa, begann nicht im »Abendland«, sondern im Osten, an den Toren zum Orient.

Die plakative Gegenüberstellung von »Abendland« und »Islam« sowie von »christlichem Abendland« und Orient ist zwar ein Lieblingsideologem der (meist CDU-nahen) Politik, spiegelt aber die historische Realität nicht angemessen wider. – Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem die Fremdenhetze kroch …

Mathias Bäumel

Mittwoch, 25. Februar 2015

Andreas Dresens Film »Als wir träumten« – was ich damals »träumte«, kann man hier lesen

Kürzlich feierte der neue Film von Andreas Dresen, »Als wir träumten«, in Leipzig Premiere. Dieser Film, der sich der Situation junger Leute unmittelbar nach der politischen Wende widmet, lief einige Tage vorher zur Berlinale 2015 im Wettbewerbsprogramm.

Im dazugehörigen Presseheft äußern sich Menschen aus den verschiedensten Lebensbereichen darüber, welche Träume sie in den Anfangsneunzigern hatten, welche Gefühle sie mit jener Zeit verbinden, welche Erinnerungen sie an damals haben.
Auch ich wurde gebeten, meine Träume von damals, meine Gefühle und Erinnerungen aufzuschreiben und für dieses Presseheft zur Verfügung zu stellen.

Einige dieser angeforderten Zuarbeiten schafften es dann doch nicht in das Heft, zu klein war der zur Verfügung stehende Platz und zu groß die Menge der Träume. Auch mein Beitrag fiel auf diese Weise raus.

Damit er nicht vergebens geschrieben wurde, veröffentliche ich ihn hier:

Am Nachmittag des 19. Dezember 1989, Dresden, Straße der Befreiung. Meine Kollegin – eine junge Punkerin – und ich verteilten selbst hektografierte Handzettel (ja, wir hatten im Büro ein Ormig-Gerät) an die in Richtung Hotel Bellevue strömenden Leute. Darauf stand: »Wer Helmut Kohl zujubelt, jubelt einem zu, der bis heute noch nicht die Oder-Neiße-Grenze anerkannt hat!« Wir wurden bedroht, beschimpft, junge, energische Männer wurden handgreiflich, man riss uns Packen der Handzettel aus den Händen, zündeten sie an oder warf sie in Papierkörbe. »Holt sie ja nicht dort wieder raus, sonst geht es euch an den Kragen!« Das war das Ende, bevor es überhaupt richtig anfing.

Aber es begann. Es begann die Zeit aufschwingender Euphorie ebenso wie die der sich krebsartig ausbreitenden Dummheit. Endlich konnte ich die richtigen Bücher lesen, die richtige Musik hören, wichtig scheinende Gedanken veröffentlichen. Und gleichzeitig wurde immer spürbarer, dass mein Leben bestimmt wurde vom dreisten Auftreten bestenfalls drittklassiger Kolonialverwalter.

Träume? Mein Traum war lange Zeit der von Wissen und Bildung als Möglichkeit, eine gutgemeinte, aber ziemlich übel gemachte Gesellschaft zu verändern. Um 1991 jedoch begann ich zu ahnen, dass Wissen und Bildung wohl mehr als Chancen zu begreifen sind, innerhalb einer üblen, aber attraktiv gemachten Gesellschaft eine kleine persönliche Heimat zu finden. Träume?

Eine knappe Generation später drängt sich mir ein Gedanke von Joseph Roth auf, den dieser in seiner Erzählung »Die Büste des Kaisers« zwar auf die Zeit nach dem Ende des Ersten Weltkriegs gemünzt hatte, der mir aber auch heutzutage hilft, meine Beklemmungen zu formulieren: »Es war die Gesellschaft, die in allen Hauptstädten der allgemein besiegten europäischen Welt, unwiderruflich entschlossen, vom Leichenfraß zu leben, mit satten und dennoch unersättlichen Mäulern das Vergangene lästerte, die Gegenwart ausbeutete und das Zukünftige preisend verkündete.«


Mathias Bäumel

Freitag, 30. Januar 2015

Ein Zitat von Friedrich Dürrenmatt passt zur Situation, es passt aber auch immer

Das Zitat von Friedrich Dürrenmatt zur gegenwärtigen Situation, das, genau betrachtet, immer gilt. Es wird bloß immer »vergessen«. Dabei meint »bewachen« natürlich »überwachen«. Gefunden im ARTE-Magazin Februar 2015, Seite 6:

Dienstag, 20. Januar 2015

Hinter welcher Fahne lauf ich her? Die 19 Punkte von Pegida etwas genauer betrachtet

Wer bei Pegida mitmarschiert, sollte das 19-Punkte-Programm dieses Vereins kennen. Schließlich muss man wissen, wofür und wogegen man demonstriert.
Dieses »Programm« ist mittlerweile an vielen Stellen zugänglich gemacht, seine Veröffentlichung im Focus enthält nützliche Erläuterungen und Kommentare.

Sichtbar wird dabei, dass eine ganze Reihe dieser Punkte dieselben Ziele verfolgt, wie sie in deutschen Gesetzen oder in Zielaussagen von Politikern formuliert sind.

Bei einigen weiteren scheint unklar, wie die Punkte gemeint sind.
Beispielsweise ist dem Focus unklar, warum die im Punkt 7 aufgemachte Forderung nach mehr Mitteln für die Polizei formuliert wurde, obwohl doch die Zahl der Straftaten in Deutschland insgesamt nicht angestiegen sei.
Ähnlich verhält es sich mit der im Punkt 8 aufgestellten Forderung, nach der die vorhandenen Gesetze zum Thema Asyl und Abschiebung ausgeschöpft und umgesetzt werden sollten. Dem Focus ist diese Forderung unklar, weil mit der aktuell steigenden Zahl von Asylbewerbern auch die Zahl der Abschiebungen gestiegen sei.

Mit einigen weiteren Punkten kann man jedoch nicht einverstanden sein.

Im Punkt 9 ist formuliert: »Pegida ist für eine Null-Toleranz-Politik gegenüber straffällig gewordenen Asylbewerbern und Migranten!«
Damit scheint die Biertisch-Forderung gemeint, man solle jeden Ausländer, der im Supermarkt eine Semmel geklaut hat, sofort abschieben. »Gleich raus mit diesen Leuten!«, höre ich hier den Nationalbürger kreischen.
Eine solche Forderung jedoch ist nicht akzeptabel. Wer so etwas unterstützt, wendet sich gegen demokratische Verhältnisse. Der Focus schreibt dazu: »Das deutsche Strafgesetzbuch toleriert Straftaten an keiner Stelle. Das Gesetzbuch unterscheidet dabei nicht, ob sie von einem Migranten oder einem Deutschen begangen werden.« Wenn ein arbeitsloser deutscher Tischler nach Schweden geht und dort Arbeit findet, will er als Migrant doch auch wie jeder Schwede rechtlich gleichbehandelt und nicht mit einem anderen, strengeren Strafmaß gemessen werden.

Im Punkt 10 klingt einseitig die Forderung an, Muslime haben sich zu integrieren. Integration jedoch ist ein gegenseitiger Prozess, die deutsche Gesellschaft muss die Muslime auch integrieren wollen und Angebote machen.
Zudem fehlt eine Erläuterung, was genau Pegida mit »Integration« meint. Geht es um »Muslime«, um Asylbewerber gleich welcher Religion oder generell um hier lebende Nichtdeutsche? Und wie soll »Integration« gelingen, wenn es für die, die bleiben dürfen, zu wenig Deutsch-Lern-Angebote und zu wenig Jobs gibt?

Absolut inakzeptabel ist der Pegida-Punkt 13. Dort ist formuliert: »Pegida ist für die Erhaltung und den Schutz unserer christlich-jüdisch geprägten Abendlandkultur!«
Hier wird – historisch völlig falsch – die über teils Jahrtausende währenden Kulturleistungen des Islam für die europäische Kultur ignoriert, ja ausgeschlossen und damit provokativ abgewertet.
Man darf aber nicht vergessen, dass unsere europäische Kultur im Laufe ihrer Geschichte entscheidend mitgeprägt wurde durch außerordentliche Leistungen aus dem Kulturbereich des Islam, so besonders in Wissenschaft, Medizin, Technik, Politik, Literatur und Kunst! Dabei spielte der Islam nicht nur als Schöpfer eigener Leistungen eine Rolle, sondern auch als Erneuerer alter antiker Kulturleistungen und Überbringer antiker Werte bis in die europäische Renaissance-Zeit hinein. Ohne Islam kein Europa, wie wir es heutzutage vorfinden – diese verkürzte Formulierung bringt die Situation wirklich realistisch auf den Punkt!
Das beginnt ganz simpel damit, dass wir arabische Zahlen schreiben, und führt bis dahin, dass einige Gesellschaften und Staaten, die für unser Europa-Verständnis grundlegend sind, über eine teils mehr als tausend Jahre währende und bis in die Gegenwart reichende gemeinsame Geschichte jüdischer, christlicher und muslimischer Kulturbegegnungen verfügen, so Portugal, Spanien, Frankreich, Italien, Griechenland und die Türkei. Europa ist keineswegs nur Nordeuropa.

Zudem bleibt bei den Propagandisten des »christlichen Abendlandes« regelmäßig unerwähnt, dass eine ganze Reihe europäischer Kulturerrungenschaften zwar grundsätzlichen christlichen Haltungen entsprechen, aber real mühevoll im Kampf gegen die Kirche errungen werden mussten – als Beispiele sollen hier nur kurz die Erfolge in den Naturwissenschaften (Beispiel-Stichwort Galileo Galilei) und die Einführung der Schulpflicht angeführt werden.

Dabei steht auch die Frage, welche Rolle die Verkirchlichung der christlichen Religion für den kulturellen Fortschritt und für kriegerische Aktionen unter dem Etikett des Religiösen spielte – immerhin waren die Kreuzzüge unter dem Dach der Römischen Kirche die ersten folgenreichen Gewaltexzesse und Kriege im Namen einer Religion nach dem Jahre Null.

So wenig wie man die Diskriminierung muslimischer Kulturleistungen für Europa durch Pegida akzeptieren darf, so sehr sucht man bei Pegida die Erkenntnis vergeblich, dass unsere europäische Kultur auf einem Miteinander-Verflochtensein verschiedener Religionen und deren Leistungen, auf der Aufklärung sowie auf dem ständigen Kampf gegen die weltlichen Machtansprüche religiöser – muslimischer wie auch christlicher – Institutionen beruht.
Wer dieses ahistorische, einseitige Geschichtsbild Pegidas unterstützt, positioniert sich gegen – nicht für – Europa.

Auch der Punkt 14 ist nicht akzeptabel: »Pegida ist für die Einführung von Bürgerentscheidungen nach dem Vorbild der Schweiz!«
Das würde die Politiker von ihrer Verantwortung noch mehr entlasten. Ohnehin müssen Politiker schon jetzt viel zu wenig Verantwortung für ihr Tun übernehmen und Konsequenzen für ihr Tun und Lassen tragen – übrigens ganz anders als beispielsweise klein- und mittelständische Unternehmer. »Verantwortung übernehmen« heißt nicht, nach einem Skandal den Posten zu räumen und nach einer gewissen Zeit einen neuen einzunehmen! Konsequenzen zu tragen hieße durchaus auch, entstandenen Schaden finanziell wieder gutzumachen.
Ein Abschieben der Verantwortung auf »das Volk« würde Politiker also nur noch mehr Möglichkeiten für ihr verantwortungsloses Tun bieten. Und es würde, gerade in Zeiten der manipulierenden Medienlandschaften, dem Un-, Halb- und Falschwissen bei politischen Entscheidungen Tür und Tor noch weiter öffnen.

In einem Punkt von Pegida kann man voll und ganz mitgehen – im Punkt 17: »Pegida ist gegen dieses wahnwitzige ›Gender Mainstreaming‹, auch oft ›Genderisierung‹ genannt, die nahezu schon zwanghafte, politisch korrekte Geschlechtsneutralisierung unserer Sprache!«
Wohlgemerkt: Es geht hier nicht gegen Gleichberechtigung, nicht gegen Selbstbestimmtheit und Menschenwürde! Sondern es geht gegen den aktionistisch aufgeladenen, symbolpolitischen Übereifer, der – absichtsvoll? – wirkliche Gleichberechtigung behindert, kritisches Denken ideologisch abbügelt und Sprache deformiert.

Über das Ganze gesehen jedoch gilt: Auch wenn eine ganze Reihe von Pegida-Punkten akzeptabel und einzelne sogar zu begrüßen sind, wäre es falsch, für diesen Punktkatalog insgesamt und damit für Pegida auf die Straße zu gehen. Ganz besonders die diskriminierende und ahistorische Ausgrenzung des Islam aus Europa, die de-facto-Forderung nach Entlassung der Politiker aus der Verantwortung für ihr Tun und die Forderung nach Teilung des (Menschen-)Rechts in Bessere (Deutsche) und Schlechtere (Migranten) sind Attacken gegen die europäische Demokratie.

M. B.

Montag, 19. Januar 2015

Bürger fordern Kompetenz, Verantwortung und Ehrlichkeit in Politik und Medien: Bükovepome

Eine erste, deutschlandweit beachtete Studie zum Thema Pegida (aus dem Institut für Politikwissenschaften der TU Dresden) hatte ergeben, dass das Hauptmotiv für die Teilnahme an Pegida-Demonstrationen eine generelle »Unzufriedenheit mit der Politik« sei. An zweiter Stelle wird dort die Kritik an Medien und Öffentlichkeit genannt. Lediglich zu knapp einem Viertel – damit drittrangig – seien die Teilnehmer dieser Studie zufolge durch »Islam, Islamismus oder Islamisierung« motiviert.

Das jedoch störte Günther Jauch bei seiner Sendung am gestrigen 18. Januar nicht – immer wieder versuchte er der Pegida-Frau Kathrin Oertel eine Antwort auf die Frage zu entlocken, wieso die Pegida-Ideologen angesichts eines Moslem-Anteils an der sächsischen Bevölkerung von etwa 0,5 Prozent von einer Gefahr der »Islamisierung« sprechen. Offenbar hatte Jauch die besagte Studie bei der Vorbereitung der Sendung ignoriert, so dass er selbst auf die viel heißeren Themen der Politiker- und Medienverdrossenheit nur am Rande einging.

Von Oertel kamen nur Üblichkeits-Sprachhülsen und es war eigentlich beängstigend, welch versimpeltes und dümmliches Weltbild diese Frau offenbarte, aber Jauch war nicht in der Lage, darauf inhaltlich konstruktiv einzugehen – weder mit eigenen Worten noch mit der Diskussionsführung.

So blieben Oertels Behauptungen über den angeblich islamisierten Zustand der französischen Gesellschaft ebenso unkommentiert wie der süffisant vorgebrachte Hinweis, dass man in Deutschland ja auch gegen die Abholzung des Regenwaldes demonstriere, obwohl es hier gar keinen Regenwald gäbe. (Warum also nicht gegen eine nicht vorhandene Islamisierung, sollte das wohl heißen ...)

So war es lediglich Frank Richter, gegenwärtig Chef der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, der immer wieder auf die eigentlichen Probleme, die Versäumnisse und Fehler deutscher Politiker (auch Angela Merkels), verwies, der jedoch gleichzeitig einen echten Dialog anstelle des einseitigen Sprechens über die jeweils Anderen einforderte. Wiederholt machte Richter den Vorschlag in Richtung Oertel, die Bewegung solle sich doch anders nennen, denn ihr derzeitiger Name widerspiegele überhaupt nicht das, was Pegida repräsentiere, und führe deshalb die Öffentlichkeit in die Irre.

Die Idee kann qualifiziert werden. Wie wäre es mit »Bürger fordern Kompetenz in Politik und Medien« (Bükopome)? Das könnte die Noch-Pegida-Leute und deren Gegendemonstranten zusammenführen. Denn genau das ist es doch, was alle wollen: Kompetenz in Politik und Medien. Aber das wäre wohl noch nicht alles. Eigentlich müsste es heißen: Bükovepome – Bürger fordern Kompetenz, Verantwortung und Ehrlichkeit in Politik und Medien. Oder?

Freitag, 16. Januar 2015

Lügenpresse – Wahrheitspresse? – Gedanken zum Wirken einiger Medien in Sachen Prinz Eugen

Lügenpresse – Wahrheitspresse? Im Spiegel Online steigen Gesa Mayr und Veronika Wulf in ihren Arikel zum Thema »Verhindertes Flüchtlingsheim in Dresdner Hotel« mit folgender Formulierung ein: »Direkt an der Elbe in Dresden liegt der Stadtteil Laubegast, Villa reiht sich an Villa, Vorgarten an Vorgarten. Es ist ein Viertel für Menschen, denen es gut geht. Ein Viertel für jene, die sich Idylle leisten können.« So diffamiert man pauschal Menschen – offenbar mit dem Ziel, Laubegaster Einwohner hinzustellen als Privilegierte, die weder finanzielle Sorgen haben noch den sozialen Spannungen einer Großstadt ausgesetzt sind und die dennoch – so die sich assoziativ einstellende Schlussfolgerung – Flüchtlingen nicht helfen wollen.

Die Spiegel-Damen formulieren geschickt und sicher absichtlich – aber an der Realität vorbei. Denn in Laubegast reiht sich nicht Villa an Villa, nicht Vorgarten an Vorgarten. Es gibt in Laubegast nur wenige Villen, aber dafür einige Einheitsbauten aus der Zeit des Realsozialismus, es gibt, entlang des Elbufers, kleine Häuser, die an frühere Fischer- und Treidler-Ärmlichkeit erinnern und die immer wieder bei Hochwasser »absaufen«, es gibt – vor allem entlang der donnernden Straßenbahnlinie – Stadtmietshäuser, deren Keller ebenfalls hochwassergefährdet sind, und es gibt sowohl sehr beengte Siedlungshäuslein aus der Zwischenkriegszeit als auch ein hässliches Nachwende-Neubaugebiet. – Was soll also die süffisante Bemerkung vom Viertel für jene, die »sich Idylle leisten können«?

Des Weiteren machten in den Medien Angaben zu Schmierereien am Hotel Prinz Eugen die Runde – so beispielsweise »asylkritischen Schmierereien am Hotel« (MDR), »mindestens (Herv. M. B.) eine Schmiererei am Hotel hat er dokumentiert« (Spiegel Online), in der FAZ war die Rede von »von Schmiererein übersät« ...

Die Wahrheit jedoch ist: Es gab genau eine Schmiererei am Hotel – an jenem Tag, nachdem die Umwidmung des Hotels zum Heim bekanntgegeben worden war. Und diese Schmiererei ist binnen eines Tages übertüncht worden.

Es fällt auf, dass diese falschen Aussagen, also das Märchen von vielen Schmierereien oder gar vom Übersätsein des Hotels, auch in anderen Medien auftauchen, also ungeprüft genutzt wurden.

Natürlich ist schon eine einzige Schmiererei dieser Art, egal wo, eine zuviel. Aber müssen Schreiberlinge rassistische Äußerungen und Asylbewerberskepsis in Dresden unbedingt »publizistisch vergrößern«, nur weil deren realen Ausmaße ihnen nicht groß genug sind, um ihr eigenes, vorgefertigtes Argumentationsmräderwerk in Gang setzen zu können? Und müssen Einwohner eines Stadtteils tendenziös als in gewisser Weise privilegiert vorverurteilt werden, nur um deren Meinungen und Verhalten als besonders unmoralisch darstellen zu können? Hier wird genau das getan, was anderen – beispielsweise bei der Verwendung des Begriffes »Lügenpresse« – vorgeworfen wird: Pauschalierung und Konfrontation.

Dass sich dabei fast niemand in den Medien ernsthaft mit den konkreten Inhalten der Petition der Initiative Mein Laubegast beschäftigt hat, kennzeichnet die Situation der deutschen Medienlandschaft. Mit der Verleihung des Titels »Unwort des Jahres« für das Wort Lügenpresse hat man diese Situation nicht besser gemacht.

M. B.