Dresden: Die Waldschlösschenbrücke ist flacher und anschmiegsamer als das Blaue Wunder. (Maßstabgerechter Silhouettenvergleich: Henry Ripke Architekten).
ddd

Freitag, 30. Januar 2015

Ein Zitat von Friedrich Dürrenmatt passt zur Situation, es passt aber auch immer

Das Zitat von Friedrich Dürrenmatt zur gegenwärtigen Situation, das, genau betrachtet, immer gilt. Es wird bloß immer »vergessen«. Dabei meint »bewachen« natürlich »überwachen«. Gefunden im ARTE-Magazin Februar 2015, Seite 6:

Dienstag, 20. Januar 2015

Hinter welcher Fahne lauf ich her? Die 19 Punkte von Pegida etwas genauer betrachtet

Wer bei Pegida mitmarschiert, sollte das 19-Punkte-Programm dieses Vereins kennen. Schließlich muss man wissen, wofür und wogegen man demonstriert.
Dieses »Programm« ist mittlerweile an vielen Stellen zugänglich gemacht, seine Veröffentlichung im Focus enthält nützliche Erläuterungen und Kommentare.

Sichtbar wird dabei, dass eine ganze Reihe dieser Punkte dieselben Ziele verfolgt, wie sie in deutschen Gesetzen oder in Zielaussagen von Politikern formuliert sind.

Bei einigen weiteren scheint unklar, wie die Punkte gemeint sind.
Beispielsweise ist dem Focus unklar, warum die im Punkt 7 aufgemachte Forderung nach mehr Mitteln für die Polizei formuliert wurde, obwohl doch die Zahl der Straftaten in Deutschland insgesamt nicht angestiegen sei.
Ähnlich verhält es sich mit der im Punkt 8 aufgestellten Forderung, nach der die vorhandenen Gesetze zum Thema Asyl und Abschiebung ausgeschöpft und umgesetzt werden sollten. Dem Focus ist diese Forderung unklar, weil mit der aktuell steigenden Zahl von Asylbewerbern auch die Zahl der Abschiebungen gestiegen sei.

Mit einigen weiteren Punkten kann man jedoch nicht einverstanden sein.

Im Punkt 9 ist formuliert: »Pegida ist für eine Null-Toleranz-Politik gegenüber straffällig gewordenen Asylbewerbern und Migranten!«
Damit scheint die Biertisch-Forderung gemeint, man solle jeden Ausländer, der im Supermarkt eine Semmel geklaut hat, sofort abschieben. »Gleich raus mit diesen Leuten!«, höre ich hier den Nationalbürger kreischen.
Eine solche Forderung jedoch ist nicht akzeptabel. Wer so etwas unterstützt, wendet sich gegen demokratische Verhältnisse. Der Focus schreibt dazu: »Das deutsche Strafgesetzbuch toleriert Straftaten an keiner Stelle. Das Gesetzbuch unterscheidet dabei nicht, ob sie von einem Migranten oder einem Deutschen begangen werden.« Wenn ein arbeitsloser deutscher Tischler nach Schweden geht und dort Arbeit findet, will er als Migrant doch auch wie jeder Schwede rechtlich gleichbehandelt und nicht mit einem anderen, strengeren Strafmaß gemessen werden.

Im Punkt 10 klingt einseitig die Forderung an, Muslime haben sich zu integrieren. Integration jedoch ist ein gegenseitiger Prozess, die deutsche Gesellschaft muss die Muslime auch integrieren wollen und Angebote machen.
Zudem fehlt eine Erläuterung, was genau Pegida mit »Integration« meint. Geht es um »Muslime«, um Asylbewerber gleich welcher Religion oder generell um hier lebende Nichtdeutsche? Und wie soll »Integration« gelingen, wenn es für die, die bleiben dürfen, zu wenig Deutsch-Lern-Angebote und zu wenig Jobs gibt?

Absolut inakzeptabel ist der Pegida-Punkt 13. Dort ist formuliert: »Pegida ist für die Erhaltung und den Schutz unserer christlich-jüdisch geprägten Abendlandkultur!«
Hier wird – historisch völlig falsch – die über teils Jahrtausende währenden Kulturleistungen des Islam für die europäische Kultur ignoriert, ja ausgeschlossen und damit provokativ abgewertet.
Man darf aber nicht vergessen, dass unsere europäische Kultur im Laufe ihrer Geschichte entscheidend mitgeprägt wurde durch außerordentliche Leistungen aus dem Kulturbereich des Islam, so besonders in Wissenschaft, Medizin, Technik, Politik, Literatur und Kunst! Dabei spielte der Islam nicht nur als Schöpfer eigener Leistungen eine Rolle, sondern auch als Erneuerer alter antiker Kulturleistungen und Überbringer antiker Werte bis in die europäische Renaissance-Zeit hinein. Ohne Islam kein Europa, wie wir es heutzutage vorfinden – diese verkürzte Formulierung bringt die Situation wirklich realistisch auf den Punkt!
Das beginnt ganz simpel damit, dass wir arabische Zahlen schreiben, und führt bis dahin, dass einige Gesellschaften und Staaten, die für unser Europa-Verständnis grundlegend sind, über eine teils mehr als tausend Jahre währende und bis in die Gegenwart reichende gemeinsame Geschichte jüdischer, christlicher und muslimischer Kulturbegegnungen verfügen, so Portugal, Spanien, Frankreich, Italien, Griechenland und die Türkei. Europa ist keineswegs nur Nordeuropa.

Zudem bleibt bei den Propagandisten des »christlichen Abendlandes« regelmäßig unerwähnt, dass eine ganze Reihe europäischer Kulturerrungenschaften zwar grundsätzlichen christlichen Haltungen entsprechen, aber real mühevoll im Kampf gegen die Kirche errungen werden mussten – als Beispiele sollen hier nur kurz die Erfolge in den Naturwissenschaften (Beispiel-Stichwort Galileo Galilei) und die Einführung der Schulpflicht angeführt werden.

Dabei steht auch die Frage, welche Rolle die Verkirchlichung der christlichen Religion für den kulturellen Fortschritt und für kriegerische Aktionen unter dem Etikett des Religiösen spielte – immerhin waren die Kreuzzüge unter dem Dach der Römischen Kirche die ersten folgenreichen Gewaltexzesse und Kriege im Namen einer Religion nach dem Jahre Null.

So wenig wie man die Diskriminierung muslimischer Kulturleistungen für Europa durch Pegida akzeptieren darf, so sehr sucht man bei Pegida die Erkenntnis vergeblich, dass unsere europäische Kultur auf einem Miteinander-Verflochtensein verschiedener Religionen und deren Leistungen, auf der Aufklärung sowie auf dem ständigen Kampf gegen die weltlichen Machtansprüche religiöser – muslimischer wie auch christlicher – Institutionen beruht.
Wer dieses ahistorische, einseitige Geschichtsbild Pegidas unterstützt, positioniert sich gegen – nicht für – Europa.

Auch der Punkt 14 ist nicht akzeptabel: »Pegida ist für die Einführung von Bürgerentscheidungen nach dem Vorbild der Schweiz!«
Das würde die Politiker von ihrer Verantwortung noch mehr entlasten. Ohnehin müssen Politiker schon jetzt viel zu wenig Verantwortung für ihr Tun übernehmen und Konsequenzen für ihr Tun und Lassen tragen – übrigens ganz anders als beispielsweise klein- und mittelständische Unternehmer. »Verantwortung übernehmen« heißt nicht, nach einem Skandal den Posten zu räumen und nach einer gewissen Zeit einen neuen einzunehmen! Konsequenzen zu tragen hieße durchaus auch, entstandenen Schaden finanziell wieder gutzumachen.
Ein Abschieben der Verantwortung auf »das Volk« würde Politiker also nur noch mehr Möglichkeiten für ihr verantwortungsloses Tun bieten. Und es würde, gerade in Zeiten der manipulierenden Medienlandschaften, dem Un-, Halb- und Falschwissen bei politischen Entscheidungen Tür und Tor noch weiter öffnen.

In einem Punkt von Pegida kann man voll und ganz mitgehen – im Punkt 17: »Pegida ist gegen dieses wahnwitzige ›Gender Mainstreaming‹, auch oft ›Genderisierung‹ genannt, die nahezu schon zwanghafte, politisch korrekte Geschlechtsneutralisierung unserer Sprache!«
Wohlgemerkt: Es geht hier nicht gegen Gleichberechtigung, nicht gegen Selbstbestimmtheit und Menschenwürde! Sondern es geht gegen den aktionistisch aufgeladenen, symbolpolitischen Übereifer, der – absichtsvoll? – wirkliche Gleichberechtigung behindert, kritisches Denken ideologisch abbügelt und Sprache deformiert.

Über das Ganze gesehen jedoch gilt: Auch wenn eine ganze Reihe von Pegida-Punkten akzeptabel und einzelne sogar zu begrüßen sind, wäre es falsch, für diesen Punktkatalog insgesamt und damit für Pegida auf die Straße zu gehen. Ganz besonders die diskriminierende und ahistorische Ausgrenzung des Islam aus Europa, die de-facto-Forderung nach Entlassung der Politiker aus der Verantwortung für ihr Tun und die Forderung nach Teilung des (Menschen-)Rechts in Bessere (Deutsche) und Schlechtere (Migranten) sind Attacken gegen die europäische Demokratie.

M. B.

Montag, 19. Januar 2015

Bürger fordern Kompetenz, Verantwortung und Ehrlichkeit in Politik und Medien: Bükovepome

Eine erste, deutschlandweit beachtete Studie zum Thema Pegida (aus dem Institut für Politikwissenschaften der TU Dresden) hatte ergeben, dass das Hauptmotiv für die Teilnahme an Pegida-Demonstrationen eine generelle »Unzufriedenheit mit der Politik« sei. An zweiter Stelle wird dort die Kritik an Medien und Öffentlichkeit genannt. Lediglich zu knapp einem Viertel – damit drittrangig – seien die Teilnehmer dieser Studie zufolge durch »Islam, Islamismus oder Islamisierung« motiviert.

Das jedoch störte Günther Jauch bei seiner Sendung am gestrigen 18. Januar nicht – immer wieder versuchte er der Pegida-Frau Kathrin Oertel eine Antwort auf die Frage zu entlocken, wieso die Pegida-Ideologen angesichts eines Moslem-Anteils an der sächsischen Bevölkerung von etwa 0,5 Prozent von einer Gefahr der »Islamisierung« sprechen. Offenbar hatte Jauch die besagte Studie bei der Vorbereitung der Sendung ignoriert, so dass er selbst auf die viel heißeren Themen der Politiker- und Medienverdrossenheit nur am Rande einging.

Von Oertel kamen nur Üblichkeits-Sprachhülsen und es war eigentlich beängstigend, welch versimpeltes und dümmliches Weltbild diese Frau offenbarte, aber Jauch war nicht in der Lage, darauf inhaltlich konstruktiv einzugehen – weder mit eigenen Worten noch mit der Diskussionsführung.

So blieben Oertels Behauptungen über den angeblich islamisierten Zustand der französischen Gesellschaft ebenso unkommentiert wie der süffisant vorgebrachte Hinweis, dass man in Deutschland ja auch gegen die Abholzung des Regenwaldes demonstriere, obwohl es hier gar keinen Regenwald gäbe. (Warum also nicht gegen eine nicht vorhandene Islamisierung, sollte das wohl heißen ...)

So war es lediglich Frank Richter, gegenwärtig Chef der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, der immer wieder auf die eigentlichen Probleme, die Versäumnisse und Fehler deutscher Politiker (auch Angela Merkels), verwies, der jedoch gleichzeitig einen echten Dialog anstelle des einseitigen Sprechens über die jeweils Anderen einforderte. Wiederholt machte Richter den Vorschlag in Richtung Oertel, die Bewegung solle sich doch anders nennen, denn ihr derzeitiger Name widerspiegele überhaupt nicht das, was Pegida repräsentiere, und führe deshalb die Öffentlichkeit in die Irre.

Die Idee kann qualifiziert werden. Wie wäre es mit »Bürger fordern Kompetenz in Politik und Medien« (Bükopome)? Das könnte die Noch-Pegida-Leute und deren Gegendemonstranten zusammenführen. Denn genau das ist es doch, was alle wollen: Kompetenz in Politik und Medien. Aber das wäre wohl noch nicht alles. Eigentlich müsste es heißen: Bükovepome – Bürger fordern Kompetenz, Verantwortung und Ehrlichkeit in Politik und Medien. Oder?

Freitag, 16. Januar 2015

Lügenpresse – Wahrheitspresse? – Gedanken zum Wirken einiger Medien in Sachen Prinz Eugen

Lügenpresse – Wahrheitspresse? Im Spiegel Online steigen Gesa Mayr und Veronika Wulf in ihren Arikel zum Thema »Verhindertes Flüchtlingsheim in Dresdner Hotel« mit folgender Formulierung ein: »Direkt an der Elbe in Dresden liegt der Stadtteil Laubegast, Villa reiht sich an Villa, Vorgarten an Vorgarten. Es ist ein Viertel für Menschen, denen es gut geht. Ein Viertel für jene, die sich Idylle leisten können.« So diffamiert man pauschal Menschen – offenbar mit dem Ziel, Laubegaster Einwohner hinzustellen als Privilegierte, die weder finanzielle Sorgen haben noch den sozialen Spannungen einer Großstadt ausgesetzt sind und die dennoch – so die sich assoziativ einstellende Schlussfolgerung – Flüchtlingen nicht helfen wollen.

Die Spiegel-Damen formulieren geschickt und sicher absichtlich – aber an der Realität vorbei. Denn in Laubegast reiht sich nicht Villa an Villa, nicht Vorgarten an Vorgarten. Es gibt in Laubegast nur wenige Villen, aber dafür einige Einheitsbauten aus der Zeit des Realsozialismus, es gibt, entlang des Elbufers, kleine Häuser, die an frühere Fischer- und Treidler-Ärmlichkeit erinnern und die immer wieder bei Hochwasser »absaufen«, es gibt – vor allem entlang der donnernden Straßenbahnlinie – Stadtmietshäuser, deren Keller ebenfalls hochwassergefährdet sind, und es gibt sowohl sehr beengte Siedlungshäuslein aus der Zwischenkriegszeit als auch ein hässliches Nachwende-Neubaugebiet. – Was soll also die süffisante Bemerkung vom Viertel für jene, die »sich Idylle leisten können«?

Des Weiteren machten in den Medien Angaben zu Schmierereien am Hotel Prinz Eugen die Runde – so beispielsweise »asylkritischen Schmierereien am Hotel« (MDR), »mindestens (Herv. M. B.) eine Schmiererei am Hotel hat er dokumentiert« (Spiegel Online), in der FAZ war die Rede von »von Schmiererein übersät« ...

Die Wahrheit jedoch ist: Es gab genau eine Schmiererei am Hotel – an jenem Tag, nachdem die Umwidmung des Hotels zum Heim bekanntgegeben worden war. Und diese Schmiererei ist binnen eines Tages übertüncht worden.

Es fällt auf, dass diese falschen Aussagen, also das Märchen von vielen Schmierereien oder gar vom Übersätsein des Hotels, auch in anderen Medien auftauchen, also ungeprüft genutzt wurden.

Natürlich ist schon eine einzige Schmiererei dieser Art, egal wo, eine zuviel. Aber müssen Schreiberlinge rassistische Äußerungen und Asylbewerberskepsis in Dresden unbedingt »publizistisch vergrößern«, nur weil deren realen Ausmaße ihnen nicht groß genug sind, um ihr eigenes, vorgefertigtes Argumentationsmräderwerk in Gang setzen zu können? Und müssen Einwohner eines Stadtteils tendenziös als in gewisser Weise privilegiert vorverurteilt werden, nur um deren Meinungen und Verhalten als besonders unmoralisch darstellen zu können? Hier wird genau das getan, was anderen – beispielsweise bei der Verwendung des Begriffes »Lügenpresse« – vorgeworfen wird: Pauschalierung und Konfrontation.

Dass sich dabei fast niemand in den Medien ernsthaft mit den konkreten Inhalten der Petition der Initiative Mein Laubegast beschäftigt hat, kennzeichnet die Situation der deutschen Medienlandschaft. Mit der Verleihung des Titels »Unwort des Jahres« für das Wort Lügenpresse hat man diese Situation nicht besser gemacht.

M. B.